Böller & Co. – Geräuschangst beim Hund

Silvester naht schon wieder mit großen Schritten und Du fragst Dich jetzt sicher: Wie wird es dieses Jahr mit meiner Fellnase? Wie kann ich meinen Hund noch besser unterstützen und von dem fürchterlichen Stress befreien? Und sicher auch: „Hoffentlich wird es in Strömen regnen, damit die Böllerei sich in Grenzen hält!“

Im Netz gibt es da ja bereits in vielen Foren sehr gut gemeinte Ratschläge! Sicher hast auch Du schon das ein oder andere probiert. Vielleicht hat auch das ein oder andere dazu beigetragen, dass Du das Gefühl hattest, dass es deiner Fellnase Erleichterung verschafft.

Bitte erwarte jetzt nicht, dass Du in diesem Block ebenso eine von den vielen Trainingsideen und das Erfolgsrezept aus der Naturheilkunde erhältst. Wenn Du mir schon länger folgst oder vielleicht sogar mit deiner Fellnase in meiner Verhaltenstherapie bist, dann weißt Du bereits, dass ich diese oben genannten Ratschläge zwar wirklich nett gemeint, aber auch für viel zu pauschal halte. Denn, jeder unserer Fellnasen ist anders, reagiert anders, hat ein anderes Empfinden, hat eine andere Geschichte – ist eben individuell. Und genauso solltest Du auch deinen Hund in Stresssituationen, wie eben auch die Tage um Silvester, betrachten und begleiten!

Um eine Idee zu entwickeln, wie Du den Stress deinem Hund nehmen kannst, ist es aus meiner Sicht zunächst unerlässlich zu wissen, was rein physisch und psychisch im Körper der Fellnase so passiert. Allein dieses Verständnis, wird dir einen anderen Blick auf die Reaktionen deiner Fellnase geben – und damit auch schon der erste Schritt sein, um eine Lösung für die Angstreaktion auf Geräusche deines Hundes zu finden.

Angst ist zunächst einmal eigentlich eine gute und lebensnotwendige Reaktion auf bedrohliche Situationen. Sie schützt (nicht nur!) unsere Fellnasen vor Gefahren und somit vor Verletzungen. Das Gefühl der Angst sorgt immer im Körper für eine Stressreaktion.

Solange nach einer kurzen Alarmreaktion, in der Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgeschüttet werden und der sogenannten Notfallreaktion, bei der der Blutdruck steigt, die Atmung erhöht und Organe wie Magen und Darm zu Gunsten der Blutversorgung des Gehirns eingestellt werden, die Regenerationsphase, in der alle Stresshormone wieder abgebaut und die Energiereserven wieder aufgebaut werden, zeitlich ausreichend einsetzen kann, ist es gesunder Stress. Dieser Eustress wirkt sich dann auf die Widerstandskraft des Immunsystems und auch auf weitere Stressmomente positiv aus.  Auf physischer Ebene kommt es eben zu gesundheitlichen Problemen, wenn der Köper nicht genügend Zeit hat, um die o.g. Regeneration vorzunehmen.

Auch, und das hat Du sicher in Stresssituationen schon erlebt, kann dein Hund weder etwas lernen, noch kann er bereits erlernte Handlungen in diesen ersten Phasen nicht abrufen.

Im Gegensatz dazu werden aber durch den o.g. Hormoncocktail vom Gehirn Reaktionen ausgelöst, die Du als flüchtendes oder aggressives Verhalten kennst. Im fortgeschrittenen Stadium einer immer wiederholenden Stresssituation können sogar zwanghaft auftretendes Verhalten, unter Umständen sogar schon ritualisiert, gezeigt werden. Hierzu zählen Kreiseln, exzessives Lecken und auch ungewöhnlich hohe Wasseraufnahme.

Also aus physisch und psychischer Sicht wird das Gefühl Angst und die damit hergehende Stressreaktion dann zu einem Problem, wenn deine Fellnase keine adäquate Strategie zur Problemlösung kennt.

Wie entsteht denn nun aber überhaupt diese Geräuscheangst?

Auch das kann nicht pauschal beantwortet werden, denn die Entstehung und weitere Entwicklung der Geräuscheangst ist genauso individuell, wie deine Fellnase. Dennoch kann ich in meinen Anamnesen bestimmte Ursachen oder Trigger feststellen, die unter bestimmten Bedingungen eine Geräuscheangst auslösen können.

Beginne ich da zunächst mit der genetischen Veranlagung. Hier beobachte ich, dass sich Geräuscheangst häufiger bei Hütehund- und Jagdhund Rassen wiederfindet. Meist werden mir hier bereits auffälliges Verhalten oder auch begünstigte Umweltreize im Welpenalter geschildert.

Hat der Welpe in den ersten 5 Wochen (in dieser Phase kann eine Überforderung oder Angstreaktion ausgeschlossen werden) zum Beispiel eine ängstliche Mutterhündin als Vorbild, kann dies schon der Start in ein ebenfalls ängstliches Leben sein. Aber auch in den folgenden Wochen ist dann die Gefahr von Überforderung oder Sensitivierung bei der Präsentation neuer Umweltreize, die häufigste Grundlage für ängstliches Verhalten.

Leider höre ich auch immer wieder, dass es immer noch, trotz ausreichend auch wissenschaftlich belegten Informationen, in Hundeschulen und bei Hundetrainern der Einsatz von Geräuschen als Strafreize genutzt werden (Zisch- und Klatschlaute, Klapperbüchsen, Wurfketten und Sprühhalsbändern). Und diese führen eben leider auch unweigerlich zu einer negativen Verknüpfung und der Entstehung der Geräuscheangst.

Und kennst Du den Satz: „Da muss er jetzt durch!“? Bei einer bereits bestehenden Angst ist dieser Satz fatal, genau wie das Aufsuchen zu Übungszwecken der angsteinflößenden Orte. Das hat zwar nicht bedingt etwas mit Geräuschen zu tun. Dennoch legt hier die Sensitivierung die Grundlage der Geräuscheangst.

Und wie sieht es denn nun aus – ist Streicheln und Körpernähe denn nun gut oder nicht? Da streiten sich ja auch immer wieder mal die Geister.

Ob diese soziale Unterstützung nun bei der Fellnase richtig oder falsch ist – dazu hier ein paar Fakten:

Zur Erklärung schaue ich auch immer wieder auf die lerntheoretischen Fakten. Ein neuer Reiz ohne negative Bedeutung kann sich in einen problematischen Reiz entwickeln, wenn ein Hund sie mit der Angst verknüpft, die durch etwas anderes ausgelöst wurde. Somit ist es höchst unwahrscheinlich, dass Dein Hund, dich als Vertrauensperson in seiner Nähe, als Angstreiz abspeichert – anders wäre es da bei einer unbekannten Person. Die Lerntherorie besagt ebenso, dass alles, was Freude auslöst, also auch du als Bezugsperson, als positiv bewertet wird und das Wohlbefinden und Sicherheit Deines Hundes steigert. Sicher kennt Ihr auch die klassische Gegenkonditionierung in der positive Emotionen, die negativen überschreiben und was in der Verhaltenstherapie häufig auch genutzt wird.

Aber in einem hohen Zustand der Angst musst du ja dann auch zu hochwertigen Mitteln greifen, damit Du der Angst entgegenwirken kannst und du als Person stehst durch Deine häufige Anwesenheit nicht gerade an oberster Stelle. Ganz im Gegenteil – in diesen Momenten kann dein Streicheln und dein Körperkontakt auch als Bedrohung wirken. Auch das plötzliche immer wiederkehrende „Übermuttern“ in solchen Situationen kann Deine Fellnase misstrauisch machen. Deinen Hund in einer angsteinflößenden Situation jedoch vollkommen zu ignorieren, läßt Frustration entstehen. Frustration entsteht aber wiederum nur, wenn deine Fellnase unbedingt deine Nähe sucht und Du sie ihm verwehrst.

Du siehst hier wie komplex die Angstreaktion auf Geräusche ist und Du mit gut gemeinten Ratschlägen u.U. bei deiner Fellnase, bei falscher Interpretation, die Geräuscheangst noch verschlimmern, anstatt verbessern kannst.

Wenn Du dennoch gern wissen möchtest, ob Berührung in Stresssituation auf deinen Hund sich wirklich positiv auswirken, dann kannst Du ja gern zum Zeitpunkt der Stressreaktion, also kurz vor deiner Berührung, mal den Puls messen (siehe unten). Und dann noch mal 5 Minuten später. Ist der zweite Wert niedriger, dann kannst Du davon ausgehen, dass es Deinem Hund hilft. Ist dies nicht der Fall, sondern der Puls ist gleich oder sogar höher, dann kann Deine Maßnahme (z.B. streicheln, massieren, auf den oder in den Arm nehmen etc.) sehr hilfreich sein zur Stressreduktion.

(www.erste-hilfe-beim-hund.de)

Nun ist es schon wieder „kurz vor zwölf“ und Du suchst nach einer schnellen Lösung! Ich bin da ehrlich – diese Lösung gibt es nicht. Geräuscheangst sitzt viel tiefer, als dass Du jetzt eben schnell noch mal etwas konditionierst, wie ein Sitz, Platz oder Fuß. Wenn Du Deine Fellnase jetzt noch unterstützen möchtest, dann kannst Du so kurzfristig nur noch Managementmaßnahmen ergreifen und jederzeit für die Sicherung Deiner Fellnase sorgen! Die beste Lösung wäre der Knallerei vollständig aus dem Weg zu gehen – die beste Idee, jedoch bei den meisten nicht so umsetzbar. Dennoch kannst du einiges unternehmen, um zumindest ein wenig Linderung für Deine Fellnase zu verschaffen:

Wie Du nun weißt, benötigt jede stressige Situation je nach Intensität für Deine Fellnase auch eine ausreichende Regenerationsphase. Das bedeutet, beginne jetzt schon aufregende Hundebegegnungen und viele Menschenansammlungen, auf ein Minimum zu reduzieren, wenn dies zu den Stressoren Deiner Fellnase zählt.  Suche so oft wie es dir nur möglich ist, ruhige Orte für den Spaziergang auf – Verkehrslärm ist bei den meisten geräuschempfindlichen Hunden ein dauernder Stressor – wenn Du es ihnen auch nicht unbedingt sofort ansiehst. Hast Du bereits einen sehr geregelten Tagesablauf oder gibt es feste Rituale? Prima, dann behalte diese auch unbedingt zu den Festtagen ein – zusätzliche Veränderungen können den Stresspegel noch erhöhen. An Silvester selbst zählen Verdunkelungen und lautere Musik auch zu bekannten Managementmaßnahmen, die aber auch schon vor Silvester jetzt immer schon mal praktiziert werden sollten, damit nicht erst an diesem Tag die Aktionen etwas Ungewohntes zeigen, was dann auch wieder Stress erzeugt. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist, dass vor allen Dingen Du selbst Ruhe und Gelassenheit ausstrahlst – da bist , sodass Deine Fellnase zu Dir kommen kann, wenn sie möchte. Und sorge bitte durch ein gut sitzendes Geschirr oder sogar zusätzlicher Sicherung durch Halsband ab sofort für einen sicheren Spaziergang.

Sollte Dein Hund bereits jetzt schon bei vielen Geräuschen Verhalten wie Zittern, im Kreis drehen oder längeres Erstarren zeigen, dann suche bitte jetzt noch Deinen Tierarzt (noch besser einen Tierarzt für Verhaltensmedizin) auf, um eine eventuelle Medikation für den Notfall zu besprechen. Für Naturheilmittel ist die Zeit bis zur einsetzenden positiven Wirkung meist jetzt nicht mehr ausreichend.

Um Deinen geräuschsensiblen Hund langfristig zu unterstützen und so den gesundheitsgefährdeten Stress ihm zu ersparen, rufe mich in diesem Jahr noch an. Gemeinsam können wir dann die ersten Schritte gleich zu Beginn des neuen Jahres gehen – hin zu einem ruhigeren, gelasseneren und gesunden HundMenschTeam im Neuen Jahr !

Beitrag Teilen

Neugierig geworden?

Mein Einzelcoaching und meine persönliche Verhaltensberatung werden Dich und Deine Fellnase auf dem Weg zu einem entspannten Miteinander begleiten.

Weitere Beiträge